Spucke an der Scheibe – Wie ein weiterer Zusammenhang zur Rigaer 94 konstruiert wird

Die Bäckerei Filou in der Reichenbergerstraße in Kreuzberg war 2017 räumungsbedroht. Mitten im Kampf um das Bleiben der Bäckerei und gegen die letzten Anläufe der Verdrängung im Kiez, geriet auch das benachbarte Schicki-Micki Restaurant „Vertikal“ ins Visier, da dessen Besitzer zugleich der Vermieter des Filou war.

Es trug sich laut einer jetzt ein zu sehenden Akte zu, dass am 26.02.2017 drei Personen um 21:30 Uhr am Restaurant Vertikal vorbei liefen. Eine der drei Personen habe gegen die Scheibe gespuckt.

Der Eigentümer des Vertikal, Charles Skinner und die Geschäftsführerin, Claire D‘Orsay seien sogleich hinaus und haben den großen Mann, der gespuckt habe, zur Rede stellen wollen. Laut diesen zwei Zeug*innen habe es dann eine Art Rangelei gegeben. Die drei Personen verschwanden. D‘Orsay behauptet später, dass sie ein Loch im Trommelfell bekommen habe, weil sie zweimal zu Boden gestürzt war. In der Akte stellt sich heraus, dass ihr diese Verletzung schon Jahre zuvor ärztlich bescheinigt worden war. Beide wollen bis heute keine Anzeige erstatten. Ermittelt wurde aber trotzdem, von Amtswegen, wegen vorsätzlicher einfacher Körperverletzung.

Es kam eine Streife vorbei und die eifrigen Beamten zogen die Spuckefäden von der Scheibe und gaben das Material zur Auswertung weiter. Das Verfahren wurde 2017 eingestellt. Es hieß im Bericht: „Ein Wiedererkennen ist nicht möglich“.

1 Jahr später, im Frühjahr 2018, ist jedoch die DNA ausgewertet. Aufgenommen in die DNA-Analysedatei ploppten mehrere Spur zu Spur Treffer auf (Das heißt, die DNA der Spucke wurde auch an Gegenständen an anderen Tatorten bereits festgestellt, ohne dafür den*die Täter*in ermittelt zu haben).

Das Interesse des LKA ist geweckt. Der Fall „Vertikal“ soll wieder aufgerollt werden. Dafür gibt es wohl verschiedene Gründe. Der Fall stellt zum Beispiel einen gefundenen Anlass dar, aus verdächtigen Kreisen DNA einzufordern. Es zeigt sich seit längerem, dass auch kleinste Delikte in Berlin, z.B. Diebstahl, genutzt werden, um an die DNA von ganz bestimmten aufmüpfigen Personen zu gelangen.Es geht hier sicherauch darum, auf den*die Täter*in der Spur zu Spur-Treffer-Straftaten zu stoßen.

Was auch immer die Interessen der Staatsschützer*innen sind, klar ist, dass das Verfahren um die Spucke an der Scheibe ein vorgeschobener und äußerst willkommener Grund ist, um eine DNA-Entnahme „rechtmäßig“ zu vollstrecken.

Da sitzt nun also Mario Göbel, KOKvom LKA 52 und grübelt, wie er das geschickt dreht und wendet, damit die Sache in seinem Sinne funktioniert. Er will bestimmte Menschen in das Verfahren rein ziehen und hätte gern von bestimmten Personen die DNA. Er ist es auch, der alle weiteren Verfahren in den letzten Monaten in Berlin gegen Linksradikale einleitete und unter anderem das Umfeld der Rigaer Straße in die Enge treiben möchte.

Bei einer dieser Personen kommt im August 2018 der Brief mit der Vorladung zur DNA Abgabe an. Die Person wird dem Umfeld der Rigaer Straße zugerechnet. Sie soll gegen die Scheibe gespuckt haben. In der angeforderten Akte stehen auch die Namen der zwei vermeintlichen Mittäter*innen, die bei dem Streit daneben gestanden haben sollen. Sie werden von Göbel und Co ebenfalls dem Umfeld der Rigaer Straße zugerechnet. Alle drei Beschuldigten finden schon in Verfahren aus der Broschüre Gefährderleaks (s.u.) Erwähnung.

Wie kam Göbel zu den drei von ihm präferiertenTatverdächtigen?

Eineinhalb Jahre nach dem Vorfall im Vertikal lädt er die vermeintlich Betroffenen, im Juni 2018, noch einmal vor. Da D‘Orsay schon damals wie heute meinte niemanden wiedererkennen zu können, wurden ausschließlichHerrn Skinner Fotos vorgelegt. Trotz der angekündigten schlechten Erinnerung (Göbel: „Skinneräußerte zum Anfang der Vernehmung auf Bildern die beiden Begleiter*innen nicht wieder erkennen zu können“) und der vergangenen Zeit, soll der Zeuge sich die Fotosansehen.

Göbel hatdaraufhin 14Fotos von ED Behandlungen von 14Personen der „linken Szene“ nach seinem Gusto zusammen gestellt.Diese 14 Personen träfen laut Göbel auf die Täterbeschreibung zu oder könnten einen Bezug zu den Spur zu Spur-Treffer-Verfahren haben.

Laut Akte habe der Zeuge Skinner dann „eindeutig und zweifelsfrei“ den Haupttäter wieder erkannt. Zum einen auf einem 9 Jahre alten ED-Foto und dann nochmal auf dem aktuellen ED-Foto, auf dem der Mensch seinen Kopf komplett gesenkt hält und nur der Haaransatz zu sehen ist. Bewundernswert diese Wiedererkennungsfähigkeit. Jeder Tatbeobachter wäre verblüfft.

Dann kommt erst das Highlight. Der Zeuge darf mit der Einsicht von genau 2 Fotos auf denen jeweils eine Person zu sehen ist, zustimmen, ob exakt diese zwei Personen möglicherweise die Mittäter*innen seien. Das Bild einer männlichen und einer weiblichen Person. Oh ja, sagt er „ich bin mir jetzt sicher, dass es die beiden Personen waren“. Sie sollen ebenfalls klein gewesen sein, so wie die zwei auf den Fotos. Und die Frau habe die Haare hoch getragen. Genau wie die Frau auf dem ED-Foto!

Was für eine Vorarbeit von Göbel. Er scheint ein Genie zu sein. Man fragt sichwozu die Entwicklung von Gesichtserkennungssoftware, wozu Vergleichsbilder? Wenn doch ein LKA Beamter genau weiß, wer Täter*in ist.

Da hat Göbel sie also, die Bestätigung, dass die drei, aus dem Umfeld der Rigaer Straße, die er seit Monaten belästigt, auch für Herrn Skinner die Täter*innen sind.

Schön eingefädelt.

So kam es, dass Göbel mit seinem KumpelStaatsanwalt Fenner gemeinsam in die Tasten hauen konnte. Der Abschlussbericht ließt sich ähnlich dem Bericht des „Brutalen Angriffs“, der im Verfahren gegen Isa konstruiert und bis ins Plädoyer der Richterin aufrecht gehalten wurde. Das Ereignis musste nun auch hier gut formuliert sein, um dem Richter, der den DNA Beschluss unterschreibt, die gravierende Größe des Geschehens realitätsgetreu abzubilden.

Der Anwalt des Beschuldigten, dem die DNA genommen werden soll, hat Widerspruch eingelegt. Der Richter hat sich auf diesen noch nicht zurück gemeldet.

Wir schreiben diesen Text, weil es unsgefährlich erscheint, dass das LKA mit so einer billigen Nummer versucht durch zu kommen.

Das Mittel der DNA-Entnahme weicht zunehmend auf. Wurden DNA-Entnahmen und -Abgleiche vormals bei Kapitalverbrechen und Mord genutzt, scheinen Aufwand und Kosten gering genug, um DNA-Spuren auch in Kleinstdelikten zu Rate zu ziehen. Diebstahl, Hausfriedensbruch und nun eben eine Scheibe anspucken, zählen zu Straftaten aufgrund derer zur DNA-Entnahme aufgefordert werden kann. Eine schiere Sammelwut scheint ausgebrochen.

Auch beispielsweise die Soko Schwarzer Block greift zur Zeit mit bundesweiten LKAs tief in die Befugniskiste und wertet fleißig DNA aus. Die Hetze nach Hamburg trägt sicher ihren Teil dazu bei, dass Richter*innen schneller Unterschriften unter Beschlüsse setzen.

DNA schwirrt überall herum, täglich verlieren wir überall unsere persönlichen Spuren. Alle Menschen die sich auch nur außerhalb ihrer Wohnung bewegen, können ins Visier geraten und in sämtlichen Spur zu Spur-Treffern auftauchen. Von derlei Sammelwut und Spur zu Spur-Treffern darf man sich nicht nervös machen lassen. Setzen wir durch, dass DNA-Spuren einfach mal nix aussagen.

Die Glaubwürdigkeit von DNA-Spuren ist nicht belegt und stark an zu zweifeln. In der Geschichte dieses Beweismittels gab es bereits zu viele Fälle, bei denen sich eine Wahrheit aus gefundenen DNA-Spuren nicht herauslesen lässt. Bezeichnend hierfür ist bspw. der Fall eines Taxifahrers in England. Er soll eine Sexarbeiterin getötet haben, weil unter ihren Fingernägeln seine DNA gefunden wurde. Dabei stellte sich aber schlussendlich heraus, dass der Taxifahrer den späteren Mörder chauffiert hat und diesem im Geldtausch einen Geldschein aushändigte mit dem der Mörder die Sexarbeiterin bezahlte. Vom Geldschein also gelangte seine DNA unter ihre Fingernägel.

In anderen Ländern wie z.B. der Schweiz ist es Normalität, dass nach Festnahmen Linksradikalen oder Sprayern die DNA entnommen wird, so wie hier routinemäßig und ohne großen Aufschrei Fingerabdrücke genommen werden.

Wir wollen mit dem Text nicht nur beschreiben, was für ein Drecksverein das LKA 52 ist, sondern finden es richtig gut, wenn alle, die von DNA Beschlüssen oder ähnlichem betroffen sind, das veröffentlichen und wir überlegen können, wie wir uns dem verwehren wollen.

Es ist hier (im politische Kontext) noch nicht soweit, dass Verfahren geführt werden und Urteile gefällt, weil DNA an einem Gegenstand am Tatort gefunden wurde und als Beweis ausreicht. Aber die Behörden bewegen sich in diese Richtung. Lasst uns das nicht resigniert beobachten.

Wir halten Euch auf dem Laufenden.

DNA? – Von uns kriegt ihr nix!